Sonne / Luft

Elfriede Jelinek
dt.1
Premiere 27. April 2024
Dauer 105 Minuten
21.11
Do
19:45-21:30 Uhr
Elfriede Jelinek, 1946 in Österreich geboren, tritt zwar selten in der Öffentlichkeit in Erscheinung, mischt sich mit ihren Werken aber sprachgewaltig in die Debatten unserer Zeit ein. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie vielfach ausgezeichnet, 2004 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur. In ihren Texten mischen sich Stimmen, Gegenstimmen, Chöre zu polyphonen Sprachkunstwerken, die mit Sarkasmus, aberwitzigen Wortspielen und beeindruckender Bildmächtigkeit die Absurdität unserer Gegenwart beschreiben und sich nicht scheuen, klare Positionen zu beziehen. Korrupte Eliten, die patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft, Fremdenfeindlichkeit und latenter Faschismus sind Themen, die sich durch ihr Werk ziehen.
Sonne und Luft. Elfriede Jelinek hat ihren neuesten Theatertext den beiden größten Lebensspendern gewidmet, ohne die unsere Existenz auf dieser Erde nicht möglich wäre. Aber die Sonne hat sich entschlossen, ihren Ton gegenüber dem Menschengeschlecht zu ändern. Statt sanftem Licht und wohltuender Wärme spendet sie immer öfter gleißende Helligkeit und tödliche Hitze. Sie entfacht Feuermeere, trocknet Seen aus, lässt ganze Landstriche verdorren und hat eine diebische Freude daran, zu beobachten, wie die panisch gewordene Menschheit versucht, ihren sengenden Strahlen zu entkommen. Und auch wenn sie selbst dazu verurteilt ist, in ferner Zukunft zu verglühen, bleibt ihr die Genugtuung, vorher die Erde von den Menschen befreit zu haben.
Und auch die Luft wartet nur darauf, wieder durchatmen zu können. Während im ersten Teil die Sonne monologisiert, ist nun die Atmosphäre von Vielstimmigkeit erfüllt. Ein letzter verzweifelter Versuch, noch einmal Ordnung in die Natur zu bringen, der endgültig ins Chaos führt. Wenn die saubere Luft zum Atmen knapp wird, schlägt das Gehirn Kapriolen, kommt der Verstand an seine Grenzen.
»Sonne / Luft« räumt auf mit dem Irrglauben, dass der Mensch sich die Erde untertan machen könne. Die Annahme, dass sich die Natur beherrschen ließe und eine unerschöpfliche Quelle sei, aus der sich die maßlosen Bedürfnisse unserer Spezies befriedigen ließen, wird als maßlose Hybris entlarvt. Wenn der Mensch vom Weltuntergang fabuliert, überschätzt er sich: Er wird selbstverschuldet mit seiner Welt untergehen, für die Natur spielt das keine große Rolle.
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Pressestimmen

Fordernd und faszinierend zugleich »Wuchtige Wortkaskaden und fantastische Schauspieler … Wortgewaltig wälzt die österreichische Literaturnobelpreisträgerin die Sätze aus, mehr als eineinhalb Stunden lang knallen den Zuschauern die Worte und Wortspiele um die Ohren, mal literarisch, mal brachial. Textkaskaden, die das Publikum fordern, aber auch faszinieren. Die Faszination ist den fantastischen Schauspielern, der Inszenierung und dem Bühnenbild zu verdanken … Die meisten Gäste feiern die Inszenierung und die großartige Leistung der Schauspieler völlig zu Recht ausgiebig.«
Britta Bielefeld, Göttinger Tageblatt 29.4.2024

Die Natur schlägt zurück »Der bissige Text kommt durch das spielerische und mühelose Hin und Her zwischen den Schauspieler*innen besonders gut zur Geltung … Besonders das Bühnenbild unterstreicht den Zynismus, der sich durch das gesamte Stück zieht und verbildlicht die Mischung aus Genugtuung der Natur über den Weltuntergang und die tiefe Trauer, die dennoch damit einhergeht. Es ist ein Stück, das im Gedächtnis bleibt.«
Miriam Bode, kulturbuero-goettingen.de 29.4.2024

Mit der Gabel lässt sich keine Suppe essen »Der Regisseurin Sarah Kurze ist es sehr erfolgreich gelungen Abwechslung ohne Überlagerung zu entwerfen. Sowohl das Bühnenbild (Janja Valjarević) als auch die Kostüme (Vanessa Vadineanu) ha-ben eine kreative Klarheit, die das Gesprochene nicht in den Hintergrund rücken, sondern bildhaft unterstreichen. Die Leistung der Darstellenden, sich die eng zusammenhängenden Gedanken viel-stimmig im Ping-Pong Prinzip zuzuspielen ist atemberaubend. Ebenso beeindruckend ist, wie sie alle gleichermaßen sicher wirken und während der gesamten fast zweistündigen Aufführung eine homoge-ne Einheit als Akteure der Sonne und der Luft bilden.
Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 29.4.2024

»Volker Muthmann, Moritz Schulze, Judith Strößenreuter, Andrea Strube und Tara Helena Weiß erweisen sich als wirklich gute Besetzung für diesen Abend. Keine:r spielt sich zu sehr nach vorne, keine:r nimmt sich zu sehr zurück. Eine wohltemperierte, klug aufgeteilte und effektvolle Ensembleleistung bekommt das Göttinger Theaterpublikum serviert. Das geht nur, wenn alle gut aufeinander abgestimmt sind. Und dass ein solch sperriger Text, bei dem es trotz seiner Wortmenge auf jeden Ausdruck ankommt, dann auch noch so fehlerlos und flüssig sitzt, kann einem nur Respekt abringen.« Wertung: 7 von 10 Sternen
Marcel Lorenz, unddasleben.wordpress.com 7.5.2024

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