Eine Geschichte, die ihren Anfang in einem Ende nimmt. Lucile ist tot. Im Januar 2008 findet Delphine ihre Mutter blassblau angelaufen in deren kleiner Sozialwohnung am Rand von Paris. Ihr Tod wirft die Frage auf, warum sie sich für einen Suizid entschied. Nach einigen Monaten beginnt Delphine sich schreibend der Mutter anzunähern, Spuren nachzugehen und die Familiengeschichte aufzurollen. Lucile, die schon als Kind besonders war, war immer anders als andere Mütter. Auf der einen Seite auffallend schön und talentiert und auf der anderen Seite geheimnisvoll, unkonventionell und scheu. Aufgewachsen in einer Großfamilie, deren Zusammenleben einerseits durch eine besondere Vitalität und andererseits durch viele tragische Verluste und mitunter auch Gewalt geprägt war, wählt Lucile früh einen anderen Weg. Gerade erst selbst erwachsen, wird sie zum ersten Mal Mutter und beginnt ein neues Leben in Paris. Die Ehe geht schnell in die Brüche, Lucile bleibt mit ihren inzwischen zwei Töchtern allein. Bald kann sie ihrer Verantwortung als Mutter aufgrund einer bipolaren Störung nicht mehr nachkommen. Sie verliert das Sorgerecht, wird mehrfach in die Psychiatrie eingewiesen. Doch Lucile gelingt gegen alle Widerstände der Weg zurück ins Leben.
Auf ihrer Recherche durch die Familiengeschichte begegnet Delphine den vielen Facetten ihrer Mutter, spürt dem Schmerz nach und reflektiert über das gemeinsam Erlebte. Der Roman ist eine sehr persönliche Hommage an eine besondere Frau voller Abgründe und die Aufarbeitung eines Traumas, das die Familie über Generationen prägte. Lucile strahlte immer aus einer Dunkelheit, aus einem Anderswo heraus: »Nichts widersetzt sich der Nacht« ist nicht grundlos der französische Originaltitel des Romans.
Die Regisseurin Schirin Khodadadian inszeniert die Mutter-Tochter-Geschichte in der Sammlung der Gipsabgüsse des Archäologischen Instituts der Universität Göttingen und rückt damit das Verhältnis von Bild und Abbild, von Wirklichkeit und Fiktion in den Fokus. Was stellen wir nach außen dar und wie geht das mit dem einher, was wir im Inneren wirklich sind?
Zur Autorin:
Delphine de Vigan wurde 1966 in Paris geboren. Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst in einem Institut für Meinungsforschung und schrieb abends und in der Nacht. Ihren ersten Roman »Tage ohne Hunger«, indem sie ihre eigene Anorexie Erkrankung thematisierte, veröffentlichte de Vigan noch unter dem Pseudonym Lou Delvig. Der literarische Durchbruch gelang ihr 2007 mit »No & ich«. Ihr Werk wurde mehrfach ausgezeichnet und steht in Frankreich und international regelmäßig auf den Bestsellerlisten. 2022 erschien ihr jüngster Roman »Die Kinder sind Könige«. Die Autorin lebt und arbeitet in Paris.
Video anzeigenDieses Video ist im erweiterten Datenschutzmodus von Youtube eingebunden, der das Setzen von Youtube-Cookies solange blockiert, bis ein aktiver Klick auf die Wiedergabe erfolgt. Mit Klick auf den Wiedergabe-Button erteilen Sie Ihre Einwilligung darin, dass Youtube auf dem von Ihnen verwendeten Endgerät Cookies setzt, die auch einer Analyse des Nutzungsverhaltens zu Marktforschungs- und Marketing-Zwecken dienen können. Näheres zur Cookie-Verwendung durch Youtube finden Sie in der Cookie-Policy von Google unter https://policies.google.com/technologies/types?hl=de.
Pressestimmen
Was machen die Schauspielerinnen zwischen Skulpturen? »Regisseurin Shirin Khodadadian hat den _Roman gemeinsam mit der DT-Dramaturgin Sarah Lena Tzscheppan für die Bühne bearbeitet … Diese Geschichte passt bemerkenswert gut in das Ambiente der Sammlung … Ziemlich clever ist es auch, die Produktion mit drei Schauspielerinnen unterschiedlicher Generationen zu besetzen … Die jugendliche Dynamik und die Erfahrung bringen eine ausgesprochen tragfähige Mischung. Ein wunderbares Trio, das den zweistündigen Abend problemlos trägt … Khodadadian entwickelte gemeinsam mit den Schauspielerinnen einen konzentrierten Abend mit vielen kleinen, aber sehr schönen Ideen … Die Akteurinnen schaffen es, das Publikum zu fesseln und zu berühren, ohne den Besucher*innen zu nahezukommen … Rauschenden Applaus gab es am Ende für Regie, Schauspiel und sicher auch für die Kulisse.«
Peter Krüger-Lenz, Göttinger Tageblatt 30.5.2023
Archäologische Suche nach der Mutter »Was vom Skizzenblock eines recht kreativen Bühnenbildners stammen könnte, ist keine Inszenierung. Sondern einfach da. Antike Statuen stehen dicht an dicht … Eine Ready-made-Kulisse, wie geschaf-fen fürs Theaterspielen. Das Deutsche Theater Göttingen hat diesen Ort jetzt für sich entdeckt, für eine Produktion, die wiederum kaum irgendwo so hineinpassen könnte wie hier … Khodadadian zeigt keine dramatisierte Fassung des Romans, vorgetragen wird der starke Originaltext. Das Bühnenge-schehen, gleichwohl dynamisch, spiegelt wider, was die ›archäologische Suche‹ nach Lucile genannt wird … Es ist ein originelles, ein anregendes Theaterexperiment ... Die erzählte Geschichte passt in eine Abgussform.«
Joachim F. Tornau, Theater der Zeit online 1.6.2023
Der Wahnsinn kommt ins Archäologische Institut »Das Deutsche Theater Göttingen führte im Archäologischen Institut ein Psychological-Horror-Theaterstück auf, welches seinesgleichen sucht. Mit der hervorragenden Performance von Jenny Weichert, Tara Helena Weiß und Angelika Fornell sowie der überaus beeindruckenden aber auch schaurig guten Kulisse konnte ›Nichts widersetzt sich der Nacht‹ auf ganzer Linie überzeugen und das Publikum wahrhaft schockieren.«
Keanu Demuth, Kulturbüro Göttingen 28.5.2023