Theater einBLICK

03.03.2025

In guter Erinnerung

Andreas Arnemann hat für den hauseigenen Kritiker*innenclub des Deutschen Theaters Göttingen, der »Scharfe Blick«, die Produktion »Nach dem Leben (After Life)« besucht.
Nach dem Leben (After Life)
Zum Stück

Die Bühne ist zur Amtsstube aus den 1980er-Jahren geworden. Durch Nebel treten zehn Tote in das Büro, welches mit mehren Tischen, Stühlen, Videoregalen und einer Schreibmaschine ausgestattet ist. Die Verblichenen stehen im Vorzimmer zur Ewigkeit ihren sechs Lotsen gegenüber und bekommen ihre Aufgabe: Jede*r Verstorbene hat eine Woche Zeit, um sich eine Erinnerung aus seinem Leben auszusuchen, die besonders bedeutsam, wertvoll und glücklich war. Mit dieser Erinnerung geht es dann weiter in die Ewigkeit.

Drei Tage Zeit gibt es zunächst zur Bewältigung dieser Suche. Dazu bekommen alle Ankömmlinge ein Einzelzimmer und Unterstützung durch die Lotsen. Die Aufgabe gestaltet sich teilweise sehr herausfordernd für die Erinnerungsbeamt*innen, von denen sich jede*r die größte Mühe gibt, die Anvertrauten bei der Suche nach einer Erinnerung zu unterstützen, welche sie in der Ewigkeit behalten möchten. Die Diversität dieser Glücksmomente aus dem Leben verschiedener Menschen ist beachtlich. So kommen Ereignisse zum Vorschein wie im Schrank neben stinkenden Stiefeln vor dem Bruder verstecken, den Turm des Schreckens in Paris erleben, ein Flug mit dem eigenen Flugzeug, warten im Hotelzimmer auf den Geliebten oder einfach nur mittags auf einer Parkbank sitzen und mit dem Lieblingsmenschen die Zeit genießen. Dabei kommen auch unwahre Erinnerungen ans Tageslicht, oder es wird sich umentschieden. Am Ende möchte jede*r im guten Licht stehen, wenn er in die Ewigkeit weiterreist. Es wird klar: Kein Leben ist durchschnittlich, und jeder Mensch hat das Recht, mit besonderer Unterstützung und glücklich seinen Weg zu gehen, ohne dass von anderen über seine bedeutsamste und wertvollste Erinnerung geurteilt wird. Am Ende wird jeder*r mit einem guten Gefühl aus dem Büro entlassen, bis auf eine Person, welche sich nicht entscheiden konnte oder wollte. Auch das ist möglich und wird toleriert, denn das ist Demokratie.

Dieses Stück erinnert das Publikum weniger an den Schrecken des Todes als vielmehr an die Freuden und den Sinn des Lebens. Ulrike Arnold (Regie) hat die Theaterfassung des Films von Hirokazu Kore-eda (ins Deutsche übersetzt von John Birke) hervorragend auf die Bühne gebracht. Es gibt nicht viele Theater, die diese Möglichkeit haben. Angesichts der großen Anzahl von Darstellenden, welche alle ihre Rolle bestens mit Leben gefüllt haben, sowie dem drehbaren, mit Liebe entworfenen Bühnenbild zolle ich dem gesamten Team großen Respekt. Die Endlichkeit des Lebens, ein nicht leichtes Thema, in ein lebhaftes und teilweise humorvolles Bühnenstück umzusetzen ist großartig gelungen. Büropersonal und Klienten haben diese Aufgabe bestens erfüllt und manchen Menschen im Publikum zum Nachdenken gebracht. Es ist doch viel schöner, sich an all die schönen Momente im Leben zu erinnern, als ständig über schlechte Ereignisse zu reden.

Die Botschaft lautet: »Geht raus und sammelt schöne Erinnerungen und unterstützt andere, das Schöne im Leben zu sehen! Das Leben ist lebenswert.« Meine Botschaft lautet: Das Stück ist absolut sehenswert, schauen Sie sich das Stück »Nach dem Leben« an! Es wird Ihnen in guter Erinnerung bleiben.