Was ist Jazz, und was kann Jazz sein? Die erste Frage muss nicht notgedrungen mit der zweiten verknüpft sein, aber die Berliner Saxofonistin Silke Eberhard beantwortet mit ihrer extragroßen Band Potsa Lotsa XL – Träger des Deutschen Jazzpreises 2023 – beide Fragen auf einmal. Ihre Antworten sind komplex, dennoch gehen sie ohne Umwege ins Ohr und bleiben im Kopf haften. Die Namen der daran Beteiligten lesen sich wie ein »Who ’s Who« der kreativen Jazzszene Berlins. Diese Musikerpersönlichkeiten zeichnen sich durch eine markante Signatur aus und behaupten diese auch dann in selbstbewusster Zurückhaltung, wenn sie sich in einen größeren Kontext einordnen.
Silke Eberhard ist eine feinsinnige Mittlerin zwischen verschiedenen Aggregatzuständen aus Vergangenheit und Gegenwart wie auch den Intentionen und Obsessionen von zehn Individualisten, die sie zielgerichtet in ihren Kompositionen vereint. Sie stellt Spielfreude über Intellekt sowie Demut und Respekt vor dem Material über virtuosen Exhibitionismus. Die Stärke ihrer Musik beruht auf ihrer Unvoreingenommenheit. Sie bleibt mit den zwanzig Beinen der beteiligten Musikerinnen und Musiker auf dem Boden des Alltags. Und mit dieser Haltung und deren konsequenter Ausfüllung mit Klangleben beantwortet sie nicht nur die Frage, was Jazz momentan ist, sondern auch die, was er darüber hinaus noch sein kann.