Nora oder Ein Puppenhaus

Henrik Ibsen • Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
dt.2
Premiere 22. September 2023
Dauer 110 Minuten
17.01
Fr
20:00-21:50 Uhr
Der 1828 im norwegischen Skien geborene Henrik Ibsen begann nach der Schule zunächst eine Apothekerlehre, besuchte dann eine höhere Schule und wurde Herausgeber eines Wochenblattes. 1851 wurde er als Hausdichter an das Norske Theater in Bergen berufen, sechs Jahre später übernahm er die Leitung des Kristiania Norske Theater. Trotz seines Durchbruchs als Dramatiker fühlte sich Ibsen in zunehmendem Maße eingeengt und verließ seine Heimat, um die nächsten 27 Jahre seines Lebens in Rom, später in Dresden und München zu verbringen. Nach Norwegen zurückgekehrt, erfuhr er zu seinem 70. Geburtstag zahlreiche Ehrungen und galt bereits zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Autoren seiner Zeit. Ibsen starb 1906 in Kristiania.
Regie
Marcel Gisler

Bühne
Thomas Rump

Kostüme
Ilka Kops

Choreografie
Felicitas Madl

Dramaturgie
Sonja Bachmann

Im Hause Helmer wirkt alles perfekt: Pünktlich zu Weihnachten wurde Torvald zum Bankdirektor befördert und seine Frau Nora scheint dieser finanzielle Aufschwung regelrecht zu beflügeln. Doch statt die Idylle zu komplettieren, tritt die Beförderung einiges los. Als überraschend ihre alte Freundin Kristine Linde zurück in die Stadt kommt und Nora sich endlich jemandem anvertrauen kann, wird bald klar, dass sie das Geld keineswegs braucht, um große Geschenke für die Kinder oder teure Kleider zu kaufen. Im Gegenteil: Da Torvald einige Jahre zuvor schwer erkrankt war und nur eine kostspielige Kurreise ihm helfen konnte, hatte Nora ohne Torvalds Wissen bei ihrem Bekannten Krogstad hohe Schulden aufgenommen, die sie mit sparsamer Haushaltsführung und kleineren Nebenverdiensten nur mühsam zurückzahlen kann. Der neue Geldsegen könnte für sie also das Ende der Schulden und damit der Geheimnisse bedeuten. Doch Krogstad versucht wenig später, seinen Einfluss auf Nora auszunutzen: Sie soll ihm eine Stelle in der Bank verschaffen, sonst erzählt er ihrem Mann von dem Schuldschein – und der Tatsache, dass sie darauf eine Unterschrift gefälscht hat. Torvald weigert sich jedoch, und zwar nicht nur, weil die Stelle bereits Frau Linde versprochen ist, sondern auch, weil Krogstad selbst wegen Unterschriftenfälschung in Verruf geraten war und Torvald seinen eigenen Ruf nicht gefährden will. Und so findet sich Nora in einer scheinbar ausweglosen Situation wieder und muss lernen, ihre anerzogene Passivität abzulegen. Dabei findet sie nicht nur einen radikalen Ausweg aus ihrem Dilemma, sondern erkennt auch, dass das »Puppenhaus«, in dem sie bisher mit Torvald gelebt hat, eher einem Käfig gleicht.

Ibsen hat mit seinem 1875 erschienenen Stück eine scharfe Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen geschrieben, die Frauen damals einengten und auf die Position der Ehefrau und Mutter reduzierten. Bis heute zeigt der Text Wege auf, um sich aus dominanten, toxischen Beziehungsmustern und sozialen Rollen zu befreien und selbst zu ermächtigen.
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Pressestimmen

Gefangen zwischen Riesensofa und Erpressung »Das fünfköpfige Ensemble führte die Besucher bei der Premiere am Freitag durch die ereignisreichen Weihnachtsfeiertage im Hause Helmer und bekam dafür langen, begeisterten Applaus … Mit einer beindruckenden Präsenz auf der Bühne macht Gabriel von Berlepsch als Torvald Helmer schon mit seinem ersten Auftritt und den ersten Worten aus seinem Mund klar: Mögen soll ihn das Publikum nicht und mit ihm mitfühlen fällt auch sehr schwer … Ihm gegenüber steht Gaia Vogel als Torvalds Ehefrau Nora. Im adretten roten Oberteil, blassrosa Rock und roten Pumps passt sie gut in das Bild des Bankdirektor-Haushalts ... Naiv ist Nora in manchen Dingen – doch auch sie weiß, dass ihr gesamtes Umfeld sie behandelt, als sei sie kein Jahr älter als zwölf. Im Verlauf des Stücks wird ihr das immer klarer und vor allem beginnt sie, auch mit dieser Gewissheit zu handeln … Machtgefälle, Frauen, die nicht ernst genommen werden – nichts davon ist unserer heutigen Gesellschaft fremd und auch das vermittelt Gislers Inszenierung.«
Mailin Matthies, Göttinger Tageblatt 25.9.2023

Bravo-Rufe für schauspielerische Leistung »Großartig spielt Gaia Vogel eine Nora, die sich mausert von der Puppe ihres Mannes … zu einer Frau, die sich entscheidet, dass sein Haus nicht länger auch das ihre sein kann. Gabriel von Berlepschs Torvald ist einer dieser Männer mit kaum zu brechender Selbstüberzeugung. Erst als Nora sich entscheidet, ihn zu verlassen, gerät der Egomane aus der Fassung … Johlen, Trampeln und Bravos spendete das Publikum nach eindreiviertel Stunden.«
Ute Lawrenz, HNA-online 27.9.2023

Nora, aktuell leider kein alter Hut »In der Inszenierung am Deutschen Theater Göttingen besticht das gesellschaftskritische Stück auch heute noch durch Aktualität, Humor und sich steigernde Spannung ... In einer brillanten Choreografie zeigt Gaia Vogel als Nora ihr ganzes Dilemma: Enttäuschung, Wut, Zorn, erotische Verführung und rebellierende Kräfte, die zu einem glaubwürdigen radikalen Schluss führen. Begeistert an dieser Aufführung hat mich die leidenschaftliche, mitfühlende, dramatische Spielweise der Schauspieler*innen, die als Team so gut im Zusammenspiel waren, dass ich fast nicht glauben konnte, dass es der Originaltext von Ibsen war. Man konnte sich nicht zurücklehnen, sondern war unmittelbar berührt.«
Christine Tischkau, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 2.10.2023

Helmer stinkt oder Burn it down »Als offensichtliche Verkörperung des Patriarchats spielt Gabriel von Berlepsch ihn als unerträglichen, von sich selbst überzeugten Mann, der glaubt, sein (beruflicher) Erfolg fuße auf der eigenen Genialität ... Dennoch lässt sich die »Nora« gut in das 21. Jahrhundert übertragen, der Text funktioniert mit wenigen Anpassungen weiterhin. Dies gelingt auch durch ein zeitgenössisches Bühnen- und Kostümbild (Bühne: Thomas Rump; Kostüme: Ilka Kops) ... Die Rolle der Nora wurde in Marcel Gislers Inszenierung perfekt mit Gaia Vogel besetzt, die sie mit Leichtigkeit spielt, dennoch aber genau um ihren Wert weiß … Einen Kontrast zu Berlepschs Torvald bildet Vogels Nora am Ende der Inszenierung, als sie Torvald trotz seiner gewaltvollen Versuche, sie vom Ausbruch abzuhalten, geht. Kraftvoll öffnet sie die Tür, nimmt einen tiefen Atemzug und geht hindurch. Die Göttinger ›Nora‹ ist bestens dafür geeignet, junge Leute einerseits an das Theater zu binden und andererseits zu verdeutlichen, wie viel noch zu tun ist, damit sie schreien: Wir wollen das Puppenhaus brennen sehen. Oder nicht weniger radikal: Toxische Beziehungsmuster zu erkennen und diese zu verlassen.«
Katja Hagedorn und Ronja Kirschke, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 24.10.2023

Aufruf zur Courage »Es sind kleine Gesten, Rituale der Figuren, Gefühlsregungen, Mimikausdrücke, die den Charakter, die Stellung und die Beziehungen der Figuren auf der Bühne in dieser Inszenierung verdeutlichen. Marcel Gisler inszeniert den Text Ibsens sehr pur, kommt fast ohne Musik und ganz ohne Varianzen im Bühnenbild aus, ebenso mit recht wenigen Requisiten. Die Handlung ist jederzeit nachvollziehbar, die Sprache klar. Und was wird transportiert? Die Zeitlosigkeit von Ibsens Drama ist es, die hier deutlich wird ... und passt doch immer noch ... Insgesamt liefert das Deutsche Theater Göttingen hier eine gelungene Einladung, sich mit Ibsen und seinen Inhalten auseinanderzusetzen ... Wenn man einen Text recht pur wirken lassen will, braucht es ein starkes Ensemble und hier kann das Göttinger Haus wieder einmal voll punkten. Die Schauspieler*innen beherrschen große wie kleine Gesten, wandeln mit beeindruckender Sicherheit durch die fast zweistündige, sehr textlastige Aufführung und machen die Handlung lebhaft erlebbar. Marco Matthes spielt den verzweifelt-verschlagenen Krogstadt mit großem Gespür für Untertöne. Volker Muthmann zeigt in kleinen Gesichtsregungen stets, wie sich seine Figur gerade fühlt – dank der Nähe des Publikums zur Bühne funktionieren diese Feinheiten prima. Andrea Strube beweist hervorragendes Körpergefühl und drückt die Beklemmung und (abnehmende) Unsicherheit der Frau Linde jederzeit überzeugend aus. Gabriel von Berlepsch nimmt man mit jeder Pore den Torvald Helmer ab, die Stimmungen, die scheinbar mühelos in seinen Worten mitschwingen, beeindrucken. Gaia Vogel vollzieht den Emanzipationsprozess ihrer Figur in Worten und Taten und wird im Laufe des Abends immer stärker. Ihr Tanz einer schmerzhaft um sich selbst kämpfenden Frau gehört zu den besten Momenten der Inszenierung. Ein herausragend spielendes Ensemble und eine sehr pure Inszenierung lassen den Ibsen-Abend zu einem in vielerlei Hinsicht gelungenen Schauspielerlebnis werden.« Wertung: ✱✱✱✱✱✱✱✱ 8 von 10 Sternen!
Marcel Lorenz, unddasleben.wordpress.com 6.2.2024

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