Wenn die Autobahn sich durch das Tal fräst, müssen Natur und Mensch weichen. Auch das Geburtshaus von Beate musste platzmachen und so wurde sie zur Raststättenbesitzerin. Ihr Autohof ist ein limbusartiger Ort, ein Zeitvakuum, das die Reise unterbricht. Eine Stunde und zehn Minuten verbringt der Durchschnittsbesucher an der Raste. Doch Rolf bleibt, er wartet auf den nächsten Unfall. Als Versicherungsgutachter hat er ein geschultes Auge für Gefahrenlagen und erkennt das Unheil, das über die Autobahn heranrollt. Das Tableau komplettieren Jayne, eine ehemalige Schauspielerin und ein Fernfahrer. Gemeinsam rasten sie und warten auf den drohenden Blechschaden.
Pressestimmen
Schlachtfeld Autobahn »Raststätte für Rastlose: Am Deutschen Theater Göttingen macht Regisseur Erich Sidler aus Ferdinand Schmalz’ dystopischer Individualverkehrsabrechnung ›dosenfleisch‹ einen beeindruckenden Abend über den Verkehr als Metapher fürs in Kisten gefangene Leben … So makaber pointiert hier mit der Debatte um Gegenwart und Zukunft der Mobilität auf den Sinn- und Unsinnebenen des Textes jongliert wird, der gebuttert flutschende Formulierungszauber ist in Göttingen nicht Mittel zum Zweck eines schlaulustig fidelen Bühnenspaßes. Sidlers theatrale Installation macht die Gefangenheit der Figuren in einer eng formatierten Welt deutlich und konzentriert auf die Bedeutung hinter den boshaften Pointen. Gerade mit dem großen äußeren Formwillen kommt die Inszenierung zum Eingemachten – was zielgenau zum finalen Befreiungsakt führt. Beeindruckend anti-schmalzige Schmalzkunst ist diese kunstvolle Verköstigung von ›dosenfleisch‹.«
Jens Fischer, taz 21.2.2020
Sinn-Suche auf der Autobahn »Die gesamte Aufführung erzeugt einen gewaltigen Spannungsbogen, der durch die leise sich wiederholende minimalistische Musik von Michael Frei verstärkt wird. Die Inszenierung ist optisch sehr ästhetisch geraten, ein Fest für die Augen … ›dosenfleisch‹ fesselt den Zuschauer … Das Publikum applaudiert lange, feiert die Schauspieler und das Produktionsteam. Die Inszenierung ›dosenfleisch‹ begeistert, weil sie so viele Facetten und Möglichkeiten des modernen Theaters auf hohem Niveau vereint, die sich gegenseitig verstärken. Eine großartig in Szene gesetzte Sinn-Suche auf der Autobahn.«
Udo Hinz, Göttinger Tageblatt 10.2.2020
1 Stunde 10 Minuten – dosenfleisch »Das Bühnenbild (Florian Barth) lässt uns auf jeden Fall nicht vergessen wo wir sind, aber gerade die Reduzierung auf eine überdimensionierte weiße Mittelspur auf der die Spielenden sich bewegen, lässt das Geschehen sich räumlich auflösen und man kann sich umso mehr auf die Sprache konzentrieren … Ganz sicher ist der Abend im DT – 2 bei diesem Stück als ›ungewohnt‹ zu beschreiben. Die sehr moderne Umsetzung eines Stoffes, der sich aber im Grunde genommen mit ganz alltäglichen Themen, die uns alle immer wieder bewegen, beschäftigt. Von daher gilt es: Einfach offen sein und sich drauf einlassen, es lohnt sich.«
Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritikerclub 10.2.2020
Sind sie schon länger hier? … Zeit fließt etwas anders hier. »Die jungen Darsteller*innen spielen alle Charaktere mittleren Alters. Dazu erhielten der LKW-Fahrer (Gabriel von Berlepsch) und der Versicherungsmann Rolf (Bastian Dulisch) einen ›Bierbauch‹ und Bart. Die Raststättenbesitzerin trug ein altes, ausgewaschenes braunes Kleid mit rosa Rosen und die Schauspielerin war mit einem Overall aus Jeans bekleidet. Die durch den Einsatz von Wattons in die Jahre gekommenen Körper der Charaktere werden allesamt durch die Kostüme an der richtigen Stelle betont. Insgesamt präsentiert das Deutsche Theater Göttingen mit ›dosenfleisch‹ eine gelungene Inszenierung, die vor allem durch ihre technische Gestaltung durch die Benutzung von Video und die spielerisch schlaue Darstellungsweise auffällt.«
Angelina Avdoulidi, Scharfer Blick/Kritikerclub 25.2.2020