Am 3. November feierte »Der junge Mann« (Regie: Jette Büshel) Premiere am Deutschen Theater Göttingen. Die Aufführung fand im fast ausverkauften Keller des Theaters statt. In dem 55-minütigen Monolog wird die Liebesgeschichte zwischen einer 54-Jährigen und einem 30 Jahre jüngeren Studenten erzählt. Das Stück basiert auf dem gleichnamigen autofiktionalen Roman der französischen Schriftstellerin Annie Ernaux.
In »Der junge Mann« verkörpert Andrea Strube in einem braunen Hosenanzug (Kostüm: Ilka Kops) die selbstbewusste Schriftstellerin, die auf ihre damalige Beziehung zurückblickt und verschiedene Interaktionen inner- und außerhalb dieser reflektiert. Sie erzählt, wie sie sich durch die Beziehung zurück in ihre prekäre Vergangenheit als Studentin gezogen fühlt, sich aber gleichzeitig in einer neuen, altersunabhängigen Gegenwart wiederfindet. In dieser intensiven Lebensrealität muss sie sich mit dem missbilligenden Blick der anderen auseinandersetzen. Ihr daraus resultierender innerer Aushandlungsprozess wird dargestellt, indem kurze Textpassagen wiederholt und jeweils mit unterschiedlichen Emotionen gesprochen werden. Dies hebt beeindruckend die Bereicherung hervor, die durch die Betrachtung unterschiedlicher Perspektiven entsteht. Eine Besonderheit in der Inszenierung liegt im wiederholten Brechen der vierten Wand. Mittels teilweise improvisierter Publikumsinteraktionen und dem Bespielen des gesamten Zuschauendenraums wird im Wechsel eine Distanz geschaffen und aufgelöst. Licht und Ton (Musik: Michael Frei) unterstützen dies und unterstreichen die spannenden Übergänge von dem Erzählen von Erlebtem und Nachspielen von Erinnerungen. So wird aus eher trockener Prosa ein virtuoses Theaterstück.
»Der junge Mann« öffnet verschiedene Perspektiven auf Sexualität und Beziehungskonstellationen abseits der gesellschaftlichen Norm und lädt dazu ein, gesellschaftliche Erwartungen zu hinterfragen. Das Premierenpublikum dankte es mit ausdauerndem Applaus.